Die zwielichtigen Gestalten der dunklen Halbwelt Wiens kommen abends im Café Elektric zusammen. Zu den Stammgästen gehören der Kleinkriminelle und Schürzenjäger Ferdl, der skrupellos Frauen das Geld aus der Tasche zieht, sowie die unglückselige Prostituierte Hansi. Während Ferdl sich im Café Elektric wie zuhause fühlt, träumt Hansi von einem besseren Leben. Da lernt sie den gutherzigen Bauingenieur Max Stöger kennen, mit dessen Hilfe sie das kriminelle Milieu des Cafés verlässt. Sie heiraten und es scheint, als könne Hansis Traum in Erfüllung gehen. Als das Paar allerdings in finanzielle Not gerät, droht Hansi die Rückkehr in die Halbwelt.
Durch die vielfache photochemische Umkopierung ging der ursprüngliche Glanz dieses stilvoll inszenierten Kriminal- und Aufklärungsfilms verloren. Dieser Glanz konnte aber durch die digitale Restaurierung des Filmarchivs Austria nun wieder zurückgewonnen werden. Unter den Hauptdarsteller:innen befinden sich die späteren FIlmstars und Publikumslieblinge Marlene Dietrich und Willi Forst in ihren ersten wichtigen Filmrollen. Die Außenaufnahmen wurden teilweise in den Straßen und Gassen Wiens gedreht. Nicht durch Zufall hat die österreichische Hauptstadt in der Filmgeschichte immer wieder als Kulisse für düstere Kriminalfilme und Thriller gedient – von G.W. Pabsts DIE FREUDLOSE GASSE (1925) bis Nicholas Roegs BLACKOUT – ANATOMIE EINER LEIDENSCHAFT (1981). Gustav Ucicky war unehelicher Sohn des Malers Gustav Klimt und arbeitete als Kameramann u.a. an mehreren österreichischen Produktionen von Michael Kertész (dem späteren Hollywood-Regisseur Michael Curtiz), bevor er sich 1927 der Filmregie zuwandte. Für seine Filmarbeiten in der NS-Zeit wird er kritisch gesehen.
Einführung: Nikolaus Wostry (Filmarchiv Austria)
Das Bühnenstück „Café Electric“ von Felix Fleischer [sic] war ein kräftiger Reißer.
Jaques[sic] Bachrach, der das Filmmanuskript zurechtgeformt hat, machte eine handfeste Sache daraus. Neue Filmwege suchte er nicht, hatte wohl auch gar nicht den Willen dazu.
Gustav Ucicky, der Regisseur, war sich offenbar in seinen Absichten mit dem Autor eins. Auch er verzichtete darauf, etwas Originelles zu geben, aber es muß anerkannt werden, daß er das Zuhälter- und Dirnenmilieu, in das ein Bürgermädchen durch ihren Leichtsinn gerät, gut zeichnet.
Die Hansi, das Mädchen von der Straße, die den besten Willen hat, in eine reinere Atmosphäre zu gelangen, der es aber doch nicht gelingt, hat die Sympathien des Publikums, das gefühlvolles Mitleid hat mit dem Mädchen, das nicht durch eigene Schuld, sondern eben durch die Verstricktheit in das niedere Leben nicht aus dem Sumpf herauskommen kann. Diese Hansi wird von der temperamentvollen Nina Vanna routiniert und eindringlich gegeben. Sie geht in dem Willen zur Charakterzeichnung manchmal etwas weit, für die Wirkung scheint dies bei dem breiten Publikum eher ein Vorteil zu sein.
Marlene Dietrich gibt das Bürgermädchen, das leichtsinnigerweise in die Schlingen eines Hochstaplers gerät, mit zutreffender Charakteristik.
Willi Forst, als schöner Ferdinand, ist ganz der Mann, der auf dem Hochstaplermarkt bei oberflächlichen, genußsüchtigen Frauen Erfolg hat.
Kinematograph, 22. Jg., Nr.1101, 25.3.1928, S. 16.
»Ein Bauingenieur bewirbt sich um die Tochter seines Chefs, die aber unter den Einfluß eines Eintänzers und Taschendiebesgerät, den schließlich eine Dirne verhaften läßt. Dieser glaubt sich aber von einem anderen Mädchen verraten, welches er später, nachdem es die Frau des Ingenieurs geworden, sich mit ihm aber wegen seiner Vergangenheit zerstritten, schwer verletzt. Schließlich versöhnen sich die Gatten.« So wird CAFÉ ELEKTRIC[...] in der österreichischen Zeitschrift Paimann’s Filmlisten rezensiert. Lobend werden auch Willi Forst, in der Rolle des Taschendiebs, und Marlene Dietrich, in der Rolle der gefallenen Tochter, erwähnt, die hier ihre Film-Premieren feiern. Der didaktisch-moralische Ansatz des Films steht dabei ganz im Gegensatz zur inszenierten Sensation – ein Umstand, der sich auch in der nur wenige Wochen später stattfindenden Titeländerung manifestiert: An die Stelle des zwielichtigen Schnittpunkts der Handlungsstränge, dem titelspendenden Kaffeehaus, wird der Untertitel DIE LIEBESBÖRSE zum neuen Haupttitel. Dass die Liebe also vielleicht doch keine Himmelsmacht ist, sondern eine Frage von Vereinbarung und Berechnung wird hier besonders deutlich. In der Geschichte um sozialen Auf- und Abstieg der Paarkonstellationen, die sich aus dem aufrichtigen Ingenieur, dem gewissenlosen Taschendieb, der verwöhnten Fabrikantentochter und der unglücklichen Prostituierten in immer wieder neuen Kombinationen zusammensetzen, spielen Gebäude und Räume eine ganz besondere Rolle. Der schaffende, moralisch integere Ingenieur steht mit seinen Ansätzen und Überzeugungen im Gegensatz zum inszenierten Dunkel der lasziven Interieurs des Cafés und der Wohnsalons bzw. Schlafzimmer. Der Bau in seinen unterschiedlichsten Ausformungen und Entfaltungen ist nicht mehr Ort der Sicherheit, sondern sich wandelnder Umschlagplatz für Körper mit Warencharakter. In einer vom Krieg und seinen Folgen zumindest teilweise traumatisierten Gesellschaft wird das alltägliche Ringen mit Missständen und Schwierigkeiten zum drastischen Überlebenskampf: Verhältnisse werden schlicht geschaffen, nur zu leicht kann man aus dem akzeptierten sozietären Gefüge herauskippen. Die Rückkehr in die normierte Bürgerlichkeit ist freilich ein wesentlich schwieriger zu bewältigender Weg. Dass selbst die Liebe, förmlich eingeklemmt im Spannungsfeld des moralisch Erstrebenswerten, fast zwischen den Polen Tugend und Freiheit zerbricht, ist Teil des grausamen Spiels: Die Liebe ist schließlich tatsächlich (k)eine Himmelsmacht.
Thomas Ballhausen, Christian Dewald: How much, Schatzi? CAFÉ ELEKTRIC, A 1927. In: Dies. (Red.): Filmhimmel Österreich, Heft 20, 10.11.2005, S. 6–8.