Paris im Jahr 1793, mitten in der französischen Revolution: Um den letzten Wunsch ihres verstorbenen Vaters zu erfüllen, hat sich die Komtesse Alaine de l’Estelle mit dem Adligen Erneste de Tressailles verlobt. Erneste kämpft als sogenannter Emigrantenoffizier in der österreichischen Armee gegen die Republikaner. Als Erneste in der Nähe von Alaines Schloss Trionville stationiert wird, besucht er sie, um schnell zu heiraten. Doch da dringt eine republikanische Armee unter Führung des kaltherzigen Bürgerkommissars Montaloup ins Schloss ein und verhaftet Erneste. Als Emigrantenoffizier und Volksfeind wird er zum Tode verurteilt. Um Erneste zu retten, bittet Alaine den gutmütigen republikanischen Oberleutnant Marc-Arron um Hilfe…
Dieses visuell opulente und hochkarätig besetzte Revolutionsdrama zeigt, mit welcher Raffinesse ein »bloßer Unterhaltungsfilm« Ende der 1920er Jahre hergestellt werden konnte. Das zugrunde liegende Bühnenstück des populären dänischen Schriftstellers Sophus Michaëlis wurde zuvor bereits viermal in Dänemark und Deutschland verfilmt. Diese letzte stumme Bearbeitung fürs Kino ist eine Meisterleistung internationaler Zusammenarbeit: Ein dänischer Regisseur setzte im Auftrag einer deutschen Produktionsfirma ein dänisches Stück mit französischem Inhalt in Szene, das kleine, aber feine Ensemble bestand aus dem Schweden Gösta Eckman, der Italienerin Diomira Jacobini, dem Österreicher Fritz Kortner und der Dänin Karina Bell. Ein Paradebeispiel für die Internationalität der Filmproduktion und der Filmgeschichte – und des Filmerbes, denn die 35mm-Kopie, die wir in Bonn zeigen, stammt aus dem Dänischen Filminstitut in Kopenhagen.
Einführung: Thomas C. Christensen (Det Danske Filminstitut)
[...] Eine Gesamtleistung und von selten verwirklichter Geschlossenheit, Abrundung, Gekonntheit. Ein Werk, in dem alle, aber auch alle Register gezogen – und richtig gezogen werden. Ein Film, der den Rechenschaftsbericht einer ganzen Periode filmkünstlerischer Entwicklung beinhaltet – der nicht Experimente also in Neuland (oder vermeintliches Neuland) beabsichtigt, sondern der die Summe zieht von dem, was deutsche Filmproduktion heute auf Grund aller von ihr geistig erarbeiteten Kenntnisse um die Kinematographie nach jeder Hinsicht zu leisten, zu geben, zu verwirklichen vermag.
Und ein schlagender Beweis dafür, daß die alleintragfähige geistige Basis produktiven Filmschaffens das Manuskript ist. Denn in diesem Buch von Norbert Falk und Robert Liebmann ist in der Tat die Summe aller feststehenden und unbestreitbaren Erkenntnisse gezogen, die wir vom Wesen der Filmdramatik haben. Die höchst persönliche Meisterleistung zweier schöpferischer Bilddramengestalter, die klares Wissen um Stumme Ausdruckskunst in eine mit Überlegenheit rhythmisierte Bildhandlung von zwingender Kontinuität, von überzeugendem In- und Gegeneinander und vollendeter Kongruenz des inneren und äußeren Weltbildes, von packender Zwangsläufigkeit in der tiefen Wechselwirkung zwischen zeitgebundenem Vorgang und menschlichem und psychologischem Schicksal zu komponieren wissen. Dramatische Kunst im tiefsten und letzten Sinne des anspruchsvollen Wortes. Dramatische Kunst als Lichtspiel. (Die Fülle der Einzelheiten wäre zu groß, wenn der Rezensent dem Wunsche, sie hier festzustellen, nachgeben würde.)
So sei zur Handlung, zum Dramenbau des Drehbuches nur dies noch gesagt: wie schleudern uns die ersten packenden Bilder unwiderstehlich in die Zeit der großen Revolution – wie löst sich das Spiel, wie klingt es ab mit der geistreichen Aufnahme der Rokokouhr; gefilmte Geschichts-Philosophie klingt an … und es darf nicht verschwiegen werden, weil es vielleicht das Schönste an diesem schönen Film ist, daß er Gesinnung hat. Und daß seine Gesinnung – gerade seine Gesinnung – das Publikum bei offener Szene zu begeistertem Beifall empor riß. Einer der wenigen Filme – und damit ist vielleicht das Beste über ihn gesagt – der die Hirne zum Nachdenken zwingt.
Vor allem aber spricht er zu den Herzen. Und daß A. W. Sandberg, der dänische Regisseur, sich nicht nur als Meister der großartigen, prachtvoll bewegten und belebten Massenszenen erweist, sondern vielmehr über der äußeren Entfaltung den inneren menschlichen Kern und damit den eigentlichen Spielszenen seine ganze Liebe mit feinstem Gefühl für die Enträtselung des menschlichen Herzens zuwendet, macht seine Regieleistung zu einer künstlerischen Tat. Man muß sich die ungewöhnlichen Aufgaben vergegenwärtigen, vor die gerade dieses anspruchsvolle Sujet den Regisseur stellte, um zu ermessen, welch reicher und großer Interpretationskunst es seine Verwirklichung zu, stummsprechenden Film zu danken hat.
Die Terra hat nicht allein reiche Mittel jeder Art zur Verfügung gestellt, um die großen historischen Visionen der Autoren und des Spielleiters zu verwirklichen, sondern auch ein mit höchster Sorgfalt ausgewähltes Schauspieler-Ensemble. […]
Hans Wollenberg in: Lichtbild-Bühne, Nr. 239, 4.10.1928.