Ein Drama, in dem eine Violine und Musik eine entscheidende Rolle spielen: Die Welt des berühmten und vielgeliebten Violinisten Árpád Szomory und dessen Familie verändert sich radikal, als Szomory seine Frau und Tochter hintergeht und die Familie in der Folge auseinanderbricht. 18 Jahre später nimmt das Schicksal eine neue Wendung – der verarmte Vater, nun Straßenmusiker, und die selbst Violine spielende Tochter finden wieder zusammen.
DAS WIEGENLIED, auch unter dem Titel ÁRPÁD SZOMORY erschienen, stammt vom Regisseur Max Mack. Der Film enthält deutliche Bezüge zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Themen des modernen Lebens (zum Beispiel die Rolle der alleinerziehenden Mutter und das Thema der Scheidung),die sich an vielen Stellen in Macks Werk finden lassen. Zwei Jahre zuvor hatte der Regisseur, der in seiner Karriere auch als Schauspieler, Drehbuchautor und Produzent tätig war, mit DER ANDERE einen Film geschaffen, der als erster deutscher Autorenfilm und als Vorläufer der späteren expressionistischen Filmebezeichnet wird. Obwohl Mack als Pionier gilt und zu den produktivsten deutschen Filmemachern der 1910er Jahre zählt, er heute eine eher enigmatische Figur der Filmgeschichte, was nicht zuletzt an der mangelnden Überlieferung und Verfügbarkeit seiner Filme liegt. Nun hat das DFF – Deutsches Filminstitut& Filmmuseum Macks Film DAS WIEGENLIED anhand der einzigen überlieferten Nitrokopie restauriert, die im Archiv des EYE Filmmuseums aufbewahrt wird. Damit ist ein weiteres Werk dieses wichtigen deutschen Filmregisseurs wieder zugänglich. Die restaurierte Fassung erlebt bei den Stummfilmtagen ihre Weltpremiere.
Einführung: Anke Mebold (DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum)
Der von Anfang bis Ende fesselnde Film, […], schildert den Lebensgang eines berühmten Geigers, der wegen seiner Untreue von Frau und Kind verlassen wird, durch seinen Leichtsinn von Stufe zu Stufe sinkt, bis ihn schließlich der junge Sohn der Gräfin Salicz, die den Künstler in seinen Glanztagen liebte, als Straßengeiger findet und ihm die Stellung eines Kapellmeisters verschafft. Dem jungen Grafen ist es auch vorbehalten, Rita, die Tochter des Künstlers, die außer dem Talent nur die wertvolle geige ihres Vaters geerbt hat und nach dem Tode ihrer Mutter ihr Leben als Musiklehrerin fristet, aus bitterster Not zu befreien und seiner Mutter zuzuführen. Aber erst auf mancherlei Umwegen sehen sich Vater und Tochter, die Gräfin und ihr Freund wieder. Das Stück schließt, wie es nicht anders zu erwarten war, versöhnend mit einer Verlobung des jungen Paares.
Egede Nissen spielt wahrhaft rührend die Rolleder Rita, Leopoldine Konstantin gab die Gräfin Salicz, während die männlichen Hauptrollen in den bewährten Händen von Rudolf und Josef Schildkraut lagen.
Deutsche Tages-Zeitung, 14.4.1916.
Ein Brahmsches Motiv gibt dem Film die seinen musikalischen Schwingungen, dem sich auch das Spiel vortrefflicher Darsteller, die beiden Schildkraut, Vater und Sohn, die lieblich-jugendliche Aud Egede Nissen und Leopoldine Konstantin, diese allerdings nur in einer diskret zurücktretenden Rolle, anschmiegt. Aber gerade dadurch, daß in diesem Stück auch die kleinsten Rollen eine ausgezeichnete Besetzung erhalten haben, ergibt sich die selten harmonische Wirkung des Films, der zu den zartesten und schönsten gehört, die die neue Saison gebracht hat. Eine Romantik, die sich an die Bohéme-Gestalt des alten Geigers Arpad Szomory (Rudolf Schildkraut) und sein abenteuerliches Leben und Lieben knüpft, entbehrt nicht so sehr der echten Beziehungen zur Wirklichkeit des Lebens, um nicht stark aus dem Film hinauszuwirken, der schwere Lebenskampf seiner verlassenen Tochter, die als GeigenIehrerin und als Modell ihr Dasein fristet, ist auch noch lebenswahr genug und nur, wie sich die gänzlich voneinander geschiedenen Personen zu glücklichem Ende wiederfinden, ist eine Konzession an die Phantasie und Dichtung, die der Film sich gestattet. Seine Regie bezeichnet ein Lob für den Namen Max Mack.
Wiener Allgemeine Zeitung,27.9.1916.